Altruismus und Egoismus - zwei Begriffe, die oft wie Tag und Nacht erscheinen. Altruismus, das klingt nach selbstloser Nächstenliebe und uneigennützigem Handeln. Egoismus, das erinnert an "Jeder ist sich selbst der Nächste" und Eigeninteresse. Doch lass uns die Sache mal genauer betrachten!
In diesem Artikel werden wir Altruismus und Egoismus näher beleuchten und zu verstehen versuchen, wie sich die hinter den Konzepten liegenden Wirkmechanismen in unserer Gesellschaft und in unserem eigenen Verhalten entfalten. Wenn du Lust hast, die Idee von Altruismus und Egoismus mit neuen Augen zu sehen, bist du hier goldrichtig. Los geht’s!
Folgendes Szenario: Du stehst an der Kaffeemaschine im Büro, und der letzte Kaffee ist fast leer. Deine Kollegin, die bereits eine Tasse hatte, giesst dir den Rest ein, ohne danach zu fragen. Das ist Altruismus in seiner einfachsten Form – das uneigennützige Handeln zum Wohl anderer. Doch steckt hinter dieser selbstlosen Geste wirklich nur reine Nächstenliebe?
Eine Definition
Altruismus, als Begriff von Auguste Comte im 19. Jahrhundert geprägt, beschreibt das Verhalten, bei dem jemand bereit ist, persönliche Opfer oder Verluste in Kauf zu nehmen, um anderen zu helfen.
Die Wurzeln dieses Konzepts gehen jedoch viel weiter zurück. Bereits in der Antike haben Philosophen wie Sokrates über das Phänomen der Menschenfreundlichkeit nachgedacht und dem Verhalten einen Namen gegeben: Philanthropos - der heutige Philanthrop. Philanthrop:innen sind Menschenfreunde, die uneigennützig handeln, ohne einen eigenen Verlust zu erleiden. Sie stellen den geistigen Antipoden der Misanthropie - den “Menschenhassern” - dar.
Der Altruismus geht einen Schritt weiter. Eine Altruistin nimmt bewusst in Kauf, dass ihr Handeln mit persönlichen Verlusten oder Nachteilen verbunden sein kann. Aber warum handeln Menschen überhaupt altruistisch? Spannende Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt, denn die Motive hierfür sind vielfältig und verflochten. Doch genau das macht es interessant: Kann reiner Altruismus überhaupt existieren oder spielt nicht doch auch immer der eigene Nutzen eine Rolle? Wir werden versuchen, uns im weiteren Verlauf der Antwort auf diese Frage zu nähern.
Auf der anderen Seite des Spektrums haben wir den Egoismus. Dieses Konzept, das vor allem in der Wirtschaftstheorie des letzten Jahrhunderts populär wurde, besagt, dass Menschen danach streben, ihren eigenen Nutzen und Gewinn zu maximieren, oft auf Kosten anderer. Adam Smith, einer der Begründer der modernen Ökonomie, argumentierte, dass das egoistische Streben jedes Einzelnen nach persönlichem Gewinn letztendlich sogar zum Wohl der Gesellschaft beitrage. Dieses egoistische Menschenbild hat jedoch zu Diskussionen geführt, insbesondere angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen im 21. Jahrhundert. Die Idee, dass Gier und Egoismus positive Kräfte sind, wird heute durchaus kritisch hinterfragt, erfreuen sich aber gerade in Incel-Bewegungen und Vertretern von übersteigerter Männlichkeit auch heute noch grosser Beliebtheit.
Altruismus ist nicht immer so klar abgegrenzt, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Wenn wir anderen helfen, tun wir das oft aus einem vielseitigen Mix von Motiven. An einem Beispiel: Vor allem in der Adventszeit geben viele Deutsche Geld an Hilfsorganisationen oder unterstützen gemeinnützige Projekte im Fundraising. Sie wollen damit ihren Beitrag leisten, zu helfen - den Organisationen, aber auch sich selbst. Schauen wir uns einige ihrer Motive mal etwas genauer an:
Gerechtigkeit: Manche Menschen handeln altruistisch, um Ungerechtigkeit zu bekämpfen. Sie setzen sich für andere ein, die ungerecht behandelt wurden oder in Not geraten sind. In diesem Fall ist ihr Handeln von einem tiefen Sinn für Fairness und Gleichberechtigung geprägt.
Moral: Die gesellschaftliche Grundhaltung ist, dass man einander hilft. Dieses moralische Gebot kann Menschen dazu motivieren, altruistisch zu handeln, selbst wenn es keine persönlichen Vorteile bringt. Sie handeln, weil es "richtig" ist.
Religion: In vielen Glaubensrichtungen ist Hilfe für andere ein zentraler Bestandteil der Lehre. Nächstenliebe und Barmherzigkeit werden als ethische Verhaltensmaximen gelehrt und motivieren Gläubige zu altruistischem Handeln.
Selbstverwirklichung: Manche Menschen engagieren sich freiwillig und setzen sich für andere ein, weil es ihnen ein Gefühl von Erfüllung und Selbstverwirklichung gibt. Es macht sie glücklich, etwas Gutes zu tun und sich für die Gesellschaft einzusetzen.
Wohlwollen: Ein einfacher Akt der Freundlichkeit kann manchmal aus reinem Wohlwollen entstehen. Wir helfen anderen, weil wir sie mögen und ihnen Gutes wünschen.
Mitgefühl: Das Mitgefühl für das Leiden anderer kann uns dazu bewegen, ihnen zu helfen. Wenn wir das Leid eines anderen Menschen spüren, möchten wir etwas tun, um zu helfen und ihr Leiden zu lindern.
Zuneigung: In engen Beziehungen, wie Familie oder Freundschaften, ist altruistisches Handeln oft von Zuneigung motiviert. Wir helfen den Menschen, die wir lieben, ohne viel darüber nachzudenken.
Dankbarkeit: Manchmal handeln wir altruistisch, um uns bei jemandem zu bedanken, der uns zuvor geholfen hat. Es ist eine Art "Rückzahlung" für erhaltene Unterstützung.
Der Begriff "homo oeconomicus" mag auf den ersten Blick kompliziert klingen, aber er beschreibt im Grunde das egoistische Verhalten im wirtschaftlichen Kontext. Dieses Konzept geht davon aus, dass Menschen in wirtschaftlichen Entscheidungen vor allem danach streben, ihren eigenen Nutzen und Gewinn zu maximieren, oft auf Kosten anderer.
In der Welt des "homo oeconomicus" steht der eigene Vorteil im Mittelpunkt. Dieses Menschenbild hat in der Wirtschaftstheorie des letzten Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt. Ein berühmter Vertreter dieses Denkens war, wie bereits erwähnt, Adam Smith, einer der Begründer der modernen Ökonomie. Smith argumentierte, dass das egoistische Streben jedes Einzelnen nach persönlichem Gewinn letztendlich zum Wohl der Gesellschaft beiträgt. Wenn jeder seine eigenen Interessen verfolgt, führt dies angeblich zu einer effizienten und wohlhabenden Gesellschaft.
Beispiele für egoistisches Verhalten in der Gesellschaft sind weit verbreitet. Sie reichen von Unternehmen, die Umweltauflagen ignorieren, um Kosten zu sparen, bis hin zu Einzelpersonen, die betrügen, um persönliche Vorteile zu erlangen. Im wirtschaftlichen Kontext kann der Egoismus dazu führen, dass Ressourcen ungleich verteilt sind und soziale Ungerechtigkeit entsteht.
Ein Beispiel aus dem Bereich des Fundraisings zeigt, wie egoistisches Verhalten in der Gesellschaft auftreten kann. Nehmen wir an, ein Unternehmen entscheidet sich, einen Teil seiner Gewinne für wohltätige Zwecke zu spenden. Auf den ersten Blick mag dies altruistisch erscheinen, da das Unternehmen Geld unter anderem für Bedürftige bereitstellt. Doch wenn man genauer hinschaut, ist nicht selten unternehmerisches Kalkül das eigentliche Motiv, zum Beispiel, um das Image zu verbessern und potenzielle Neukunden anzulocken. In diesem Fall wird das egoistische Interesse des Unternehmens an Gewinnmaximierung mit einer altruistisch wirkenden Handlung kombiniert.
Im täglichen Leben begegnen wir ständig Situationen, in denen Altruismus und Egoismus miteinander interagieren. Dieses Wechselspiel kann oft subtil und komplex sein. Einige Beispiele wären:
Warum spenden wir eigentlich und welche psychologischen Faktoren stecken dahinter? Exzellente Frage, die wir an dieser Stelle mit der Brille Altruismus Slash Egoismus betrachten werden.
Nehmen wir mal an, du siehst eine Anzeige für eine Spendenaktion, die Kindern in Not hilft. Du beschliesst, einen Betrag zu spenden. Ist das Altruismus? Oder aber haben dich vielleicht doch egoistische Motive dazu verleitet? Schauen wir uns zwei mögliche Einflussfaktoren auf deine Entscheidung mal etwas genauer an.
Bei zweckgebundenen Spenden entscheidest du dich bewusst, Geld für einen bestimmten Zweck zu spenden, der dir am Herzen liegt. Das könnte Bildung, Gesundheit, Umweltschutz oder eine andere gute Sache sein. Warum tun wir das? Einerseits möchten wir einen direkten Beitrag zu einem Anliegen leisten, das uns persönlich wichtig ist. Wir wollen Veränderung bewirken und sehen, wo unser Geld hingeht. Das ist ein altruistischer Akt, der dem Wunsch entspringt, anderen zu helfen und die Welt zu verbessern.
Andererseits gibt es auch egoistische Elemente für zweckgebundene Spenden. Indem du für einen bestimmten Zweck spendest, kannst du ein Gefühl von Kontrolle über deine Spende und ihre Verwendung behalten. Du kannst sicherstellen, dass dein Geld tatsächlich dort ankommt, wo du es haben möchtest, und dass es effektiv eingesetzt wird. Dies kann ein beruhigendes Gefühl sein und dir persönliche Befriedigung verschaffen.
Die Idee, dass Eigeninteresse eine Rolle beim Spenden spielt, mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen. Doch wenn wir genauer hinsehen, erkennen wir, dass es durchaus Sinn ergibt. Menschen sind komplexe Wesen, und unsere Handlungen sind oft von verschiedenen Motiven durchdrungen.
Beim Spenden können Eigeninteressen in Form von persönlichem Glück und Wohlbefinden auftreten. Wenn du Geld für wohltätige Zwecke spendest, erlebst du möglicherweise ein warmes, erfüllendes Gefühl. Das Wissen, etwas Gutes getan zu haben, kann dein Selbstwertgefühl stärken und dir ein Gefühl der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gemeinschaft geben, die sich für positive Veränderungen einsetzt.
Fun Fact
Eine aktuelle Studie aus dem September dieses Jahres 2023, die sich mit den Themen Grosszügigkeit, Glück und gesellschaftlichen Faktoren befasst, ist "The Societal Determinants of Happiness and Unhappiness: Evidence From 152 Countries Over 15 Years" von Assistant Prof. Dr. Satoshi Araki an der Universität Hongkong. Diese Studie hat gezeigt, dass Menschen, die grosszügig sind und für wohltätige Zwecke spenden, oft glücklicher und zufriedener sind. Das Glücksgefühl, anderen geholfen zu haben, kann eine starke Motivation sein. Es ist also nicht nur reine Nächstenliebe, die uns antreibt, sondern auch die Aussicht auf persönliches Wohlbefinden.
In einer Welt, die oft von egoistischem Verhalten geprägt ist, zeigt, dass Spenden und Fundraising, dass Altruismus und Eigeninteresse durchaus miteinander verwoben sein können. Und das ist keineswegs negativ. Es zeigt, dass wir als Menschen in der Lage sind, aus verschiedenen Motiven Gutes zu tun und unsere Welt ein Stückchen besser zu machen.
Altruismus und Egoismus sind nicht selten also nuancierte und teils sogar eng miteinander verwobene Konzepte. Wir haben gesehen, dass Altruismus in unterschiedlichen Formen auftritt, von moralischen Überlegungen bis zur puren Freude am Helfen. Und Egoismus kann in bestimmten Kontexten, wie im beruflichen oder allgemein in der Wirtschaft, demnach auch positiv als treibende Kraft dienen.
Die Vielschichtigkeit von Altruismus und die Möglichkeit, dass egoistische Motive mitschwingen, fordern uns heraus, unsere eigenen Handlungen regelmässig(er) kritisch zu reflektieren. Das mag im ohnehin schon stressigen Alltag ein unrealistischer, vielleicht auch nerviger Anspruch sein. Du kannst es aber auch als Herausforderung ansehen, kein blosser NPC deiner Geschichte zu sein und bewusster über deine Motivationen nachzudenken und - im Idealfall - den Ausgleich zwischen dem Wohl anderer und deinem eigenen Wohlbefinden zu finden.
Die Kunst des Ausgleichs besteht darin, die Grauzonen zu akzeptieren und bewusste Entscheidungen zu treffen. Sei neugierig, sei nachdenklich und vor allem, sei du selbst. Im Leben sind Altruismus und Egoismus keine Feinde, sondern Wegweiser zu einem ausgewogenen und erfüllten Dasein. Denk darüber nach, warum du handelst, wie du handelst, und finde die Balance zwischen Fürsorge für andere und das, was für dich wichtig ist.
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